Die Narrenbolezei
"Wenn Sie jetzt saget, wer Ihr sind und wia Ihr hoißed, nooh schreib i dii uff ...!". Solch einen intelligenten Ausspruch wird man wohl einem "normalen Polezei" kaum in den Mund legen ... eher schon einem "Narrenpolezei".
Weit gefehlt! Ein echter "Narrenpolezei" ist alles andere als ein dummer Dreckschwätzer oder ein versoffener Trottel. Narrenpolizisten sind in der schwäbisch-alemannischen Narrenlandschaft gleichberechtigte Sonderfiguren. In ihnen sollen unter anderem die ehemaligen Gemeindeboten und Dorfpolizisten Urständ feiern. Darum tragen sie im allgemeinen auch das Häs ihrer honorigen Vorfahren und Vorbilder: Uniformrock, weiße oder dunkle Hose, Schaftstiefel (Knobelbecher), eine Soldatenmütze oder eine Pickelhaube; evtl. noch einen Säbel umgeschnallt. Ihr wichtigstes Requisit ist die Schelle. Nur ganz selten sind sie verlarvt (früher in Stetten am kalten Makrt), tragen meist einen übergroßen Schnurrbart. Ausnahmen in der Gewandung findet man in Riedlingen und Weingarten. In Riedlingen ähnlich einem Husaren, in Weingarten wie Napoleon (!). Die "Büttel-Schelle", die nicht mit Glocken, Schellen und Glöckchen der weiß- und anderer Narren verglichen werden darf, dient einzig und allein, närrische Bekanntmachungen anzukündigen und "auszuschellen". Narrenpolizeien findet man in fast allen Regionen der schwäbisch-alemannischen Landschaft. Und weil sie in der Fasnet ordnende Aufgaben zu übernehmen haben, gelten sie als "wichtige" Funktionäre. Als solche sind sie oft "stur", kopieren bewußt den "Spieß" bei den einst kaiserlichen Kompanien. Übernehmen auch Führungsaufgaben, wie zum Beispiel der Oberndorfer "Polizeischantle", der die große Gruppe der Oberndorfer "Schantle" betreut. Selbstverständlich sind sie Narren, haben Humor und Witz, sind durchweg Spaßvögel, nicht selten Originale. Und bei vielen Zünften sind sie sogar so etwas wie die rechte Hand des Zunftmeisters oder des Zeremonienmeisters. Es gibt Fälle, wo sie ähnlich fungieren in den Zünften wie die mittelalterlichen Hofnarren - erlauben sich dort viel, nehmen Zunft- und Narrenobere auf den Arm. Diese Narrenpolizisten gehören fast schon zu der Gruppe der "Narrenbüttel". Büttel waren im Mittelalter Gerichtsboten, ja sogar Gerichtshäscher. Solche Narrenbüttel finden wir zum Beispiel in Markdorf und in Stockach, die dort wie die Hofnarren gekleidet und intelligente Hästräger sind. Narrenpolizei und Narrenbüttel brauchen also nicht immer dasselbe sein. Meist agiert in einer Zunft nur ein "Narrenpolezei". Es gibt aber auch Ausnahmen; da gibt's dann zwei und mehrere. In Ehingen an der Donau zum Beispiel tritt in der dortigen Narrenzunft "Spritzenmuck" gleich eine "Herde" von Narrenpolizisten auf, die ihr Umfeld meistens mehr durcheinander als in Ordnung bringen, bei den Narrensprüngen allerhand Unsinn treiben. In Saulgau zeigen sich auch eine Anzahl von gleichgewandeten närrischen Ordnungshütern. In der Bockstadt gab es immer einen "Narrenpolezei". Häs und Auftreten waren dem jeweiligen Narren überlassen. Vor und in den Jahren nach der Gründung der Bockzunft versah diesesEhrenamt Ehrennarrenrat Wendelin Unger. Dieser "Narrenpolezei" trat verlavrt auf. Später steckte in dieser Uniform des "Narrenpolezei" mit der obligatorischen "Amtsschelle" bewaffnet, unverlarvt, der gebürtige Nusplinger Egon Ruf als "Moritz I". Zeitweilig fuhr er mit einem historischen Hochrad der Bockzunft bei den Narrensprüngen voraus. Nachfolger von Moritz dem I. war Timo Müller der sein Amt mit viel Humor und Angagement ausübte. Heute wird das Amt durch den langjährig aktiven Bock Herbert Schittkowski ausgeführt. Er sorgt mit seiner humorig ernsten Art stets für Ordnung. |